Totalversagen der Politik

Die Lage spitzt sich zu.  Das vollständige Versagen der verantwortlichen Spitzenpolitiker in der EU und den – immerhin ja noch existierenden – nationalen Regierungen wird jeden Tag aufs neue amtlich belegt und dokumentiert. Alle, aber auch wirklich alle Prognosen erweisen sich innerhalb von Tagen als grotesk falsch.

Sämtliche Maßnahmen laufen bestenfalls ins Leere, meist verschlimmern sie aber die Lage, Beschleunigen den Absturz und kosten wertvolle Zeit und Milliarden hart erarbeiteter Steuergelder. Ich möchte hier zunächst die gängigsten Propagandafloskeln zusammentragen und die Alternativlosigkeit der EU-Zentralstaatslogik dem Prinzip der dezentralen Konsolidierung gegenüberstellen.

Die Propagandafloskeln:

”Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.”

Zu Europa sind etwa 50 Staaten zu zählen. Davon sind nur etwas mehr als die Hälfte, nämlich 27 Mitglied der EU und 34 % (=17 Staaten) Mitglied des Euro. Wenn nun aus dem Verbund der 17 fünf ausscheiden, wieso sollte das Europa der 50 untergehen? Wenn der Euro scheitert, dann mag der zu dessen „Rettung“ geplante Versuch scheitern, aus dem Verbund souveräner Einzelstaaten eine zentralistische Zwangsgemeinschaft zu schaffen, regiert von demokratisch nicht legitimierten Minister-, Gouverneurs- und sonstigen Räten und einer nie gewählten Kommission. Aber „Europa“ scheitert nicht. Vielleicht sollten wir vorher auch einmal die Frage klären: Was ist eigentlich Europa?

„Deutschland profitiert am meisten vom Euro“.

Hier werden gleich zwei Tatsachen vollkommen ignoriert:

Deutschland hat nicht nur weltmeisterlich Waren exportiert, z.B. nach Griechenland und Italien, sondern – weil die Käuferländer sich den Einkauf bei uns schlicht gar nicht leisten konnten – gleich auch noch das Kapital dazu mitgeliefert. Und nun sind die Käufer pleite und zahlen das Kapital nicht zurück. Wir arbeiten hart, produzieren hochwertigste Waren, verzichten auf Konsum und Lohnerhöhungen und tragen unsere knappen Löhne dann auch noch als Spareinlagen zu unseren Banken und jetzt sind unsere Waren in Griechenland konsumiert und unsere Spareinlagen verzockt. Das mag ein tolles Geschäft und ein großer Profit sein – allerdings nicht für den deutschen Arbeiter und Sparer.

Außerdem:  Erinnern Sie noch, daß Deutschland mit der harten DM und ganz ohne Euro nicht nur Vize-Exportweltmeister, sondern sogar Weltmeister war? Wissen Sie, daß seit dem Euro unsere Exporte in den Euro-Raum abgenommen haben? Und wer spricht aus, daß Deutschlands Wettbewerbsvorteil nicht im Preis, sondern in der Qualität seiner Produkte liegt? Wir produzieren nicht Billigpreisprodukte, deren Absatz auch noch über die Krücke einer möglichst schwachen Währung gestützt werden muß, sondern internationale Spitzenprodukte im Hochpreissegment. Wer gibt zu, daß wir Deutschen früher gerne, weil günstig Urlaub in Italien machen konnten, oder anders gesagt: Eine harte Währung machte den Import fremder Waren billiger. Auch dieser Aspekt  des  Kaufkraftverlustes fehlt in jeder  Wir-profitieren-am-meisten-vom-Euro-Lyrik. Schließlich: war nicht sogar öffentlich erklärtes Ziel der Euroeinführung,   Deutschland „einzubinden“, oder war Ziel des Euro, Deutschland möglichst viele Wettbewerbsvorteile zu Lasten aller anderer Staaten zu schaffen, Deutschland möglichst deutlich zu stärken und möglichst hohe Profite herausschlagen zu lassen?

„Die Spekulanten und Ratingagenturen sind schuld.“

Dieses Argument ist nun wirklich zu unklug, um lange darauf einzugehen. Wenn unsere Politiker nicht dauernd mehr Geld ausgeben würden als da ist und also nicht ständig und laufend Kredite vom Kapitalmarkt aufnähmen würden, welchen Einfluß hätten dann alle Spekulanten und Ratingagenturen der Welt? Genau. Keinen.

„Die Lösung der Krise kann nur ein „Mehr an Europa“ sein.“

„Europa“ heißt in diesem Zusammenhang immer mehr Zentralismus, mehr  Eingriffe in die nationalen Souveränitäten, mehr Befugnisse an EU-Räte, an EU-Kommissare, an EU-Gouverneure, ein weniger an Demokratie und Selbstbestimmung. Die Misere ist aber doch entstanden, das geben unsere „Spitzen“-Politiker allenthalben zu, weil die ihrem Volk gegenüber verantwortlichen Regierungen entweder nie sparen wollten oder es nicht konnten. Wenn das französische Volk und die französische Regierung aber nicht sparen wollen, dann wird auch der deutsche Sparkommissar mit diktatorischer Vollmacht und EU-Zwangsrechten ausgestattet nur eines erreichen: Wut und Zorn auf Frankreichs Straßen. Und wenn die Griechen nicht sparen können, dann kann es auch der deutsche Kolonialherr nicht. Im übrigen ist die Abschaffung der Demokratie, die mit allen Maßnahmen der Abschaffung der nationalen Souveränitäten einhergeht, verfassungswidrig und brandgefährlich.

„Die Euro-Rettung ist alternativlos. Es gibt kein Zrück.“

Das ist das dümmste und gefährlichste aller „Argumente“, denn es verbietet das Nachdenken über Alternativen. Im Prinzip ist man sich ja bei der Analyse einig: Ursache der „Euro-Krise“ ist die von nationalen Politikern verursachte Staatsschuldenkrise. Schäuble & Co schwadronieren nun, das „Regelungsmonopol der klassischen Nationalstaaten“ sei ein Relikt aus „vergangenen Jahrhunderten“ und schlicht nicht mehr zeitgemäß. „European gouvernance“ sei die Lösung. Faktisch ist die These also die: Die Nationen haben versagt. Also brauchen wir jetzt eine ganz, ganz große Nation, den EU-Zentralstaat nämlich, und dann wird alles besser. Denn im EU-Superstaat herrschen einige wenige Weise, die mit kluger Weitsicht allein das Gute für die Menschen in Europa wollen, die den Märkten ein Schnippchen schlagen, die wissen, was wir wollen und uns in eine rosige Zukunft führen. Statt vieler kleiner Fehler werden dann wenige große Fehler gemacht… ach nein. Die großen Fehler werde ja nicht gemacht. Die EU-Räte sind weise und gut.

Anstatt dezentral zu konsolidieren regiert der Zentralismus. Wir „harmonisieren“ den Wettbewerb, schaffen ihn also innereuropäisch ab und werden dadurch außereuropäisch wahnsinnig wettbewerbsfähig. Wir bleiben bei für alle Euro-Ländern gleich niedrigen Zinsen, sonst würden die Zinsen für die Schuldenstaaten explodieren und sie könnten sich gar nicht mehr immer tiefer und tiefer und tiefer verschulden. Wir halten daran fest, daß die Griechen zur Herstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit ihre Produkte nicht einfach billiger verkaufen können (= über eine schlichte Abwertung einer eigenen Währung); sondern wir zwingen ihnen immer weitere Kredite auf und prügeln auf sie ein, bis sie innovativ, effizient, organisiert und strukturiert sind und auf diesem Wege wettbewerbsfähig über die Qualität ihrer Produkte werden und eben nicht über den Preis. Wir beschlagnahmen ihre nationalen Vermögen (= Privatisierungserlöse zur Bezahlung bestehender und künftiger Kredite) und schinden sie solange, bis die Kiste Oliven ebenso einen Ertrag erwirtschaftet wie eine Kiste hochentwickelter Spezialwerkzeuge für den internationalen Maschinenbau.

„Der Euro sichert den Frieden in Europa.“

Mit dieser Floskel wird zum einen suggeriert, daß also beim „Scheitern des Euro“ wieder Krieg in Europa ausbricht. Das Ausmaß der Ausblendung von Tatsachen ist schon erstaunlich. Zum einen endete der 2. Weltkrieg nicht erst 2002 mit Einführung des Euro, sondern knapp vorher. Und: Es sind nicht die Schweden und die Schweizer (= Nicht-Euro-Länder); die gerade deutsche Fahnen verbrennen und uns Deutsche vom Platz 1 ihrer beliebtesten  Nationen auf Platz 1 der meist gehassten Nationen katapultierten. Das sind die Griechen. Und der Unmut in Italien, Spanien und Frankreich wird sich spätestens dann entladen, wenn der deutsche Sparkommissar einmarschiert und den Südländern mal zeigt, wie man preußisch knallhart richtig wirtschaftet und wo man noch überall so richtig sparen kann.

Lösungsansätze

Ganze Staaten sollen wir retten, damit die Banken nicht pleite gehen. Es drohe die „Kernschmelze“.

Sehen wir uns dieses ultimative Panik-Argument einmal ein kleines wenig genauer an und bilden einen einfachen Fall:

In den Bilanzen der Banken steht auf der Aktivseite, wo das Vermögen der Bank steckt: Die Bankimmobilie (Wert: 50); etwas Gold (Wert: 100) und ganz viele „Wertpapiere“, nämlich z.B. griechische Staatsanleihen (Wert laut Bilanz: 850). In Summe hat die Bank auf der Aktivseite also einen Wert von 1.000 stehen. Und auf der Passivseite steht, woher dieses Geld kommt, und das sind vor allem unsere Spareinlagen (Wert: 600). Diese 600 sind also Schulden, die die Bank bei uns Sparern hat. Wenn wir wollen, muß die Bank uns das Geld zurückzahlen. Und wenn wir jetzt alle auf einmal unser Geld abheben wollen, dann muß die Bank nur ihr Vermögen flüssig machen, also Gold und Anleihen und die Immobilie verkaufen (= Wert 1.000) und dann kann sie uns unsere Spareinlagen (=Wert 600) auszahlen. Der Rest (= 1.000 Aktivvermögen minus 600 Schulden bei uns Sparern = 400) ist das Eigenkapital der Bankaktionäre.

Allerdings gibt es nun ein Problem: Sollte Griechenland nicht „gerettet“ werden und also pleite sein, sind die Anleihen in der Bilanz der Bank nicht mit Wert 850 in der Bilanz zu führen, sondern mit NULL. Und wenn jetzt alle Sparer ihr Geld abheben wollen, dann ist nicht mehr genug da. Die Sparer kriegen ihre Einlagen nicht voll zurück, und (GANZ WICHTIG!): die Eigentümer der Bank verlieren ihr Eigenkapital (Wert 400) vollständig (!). Die Politik will uns jetzt verkaufen, daß der deutsche Steuerzahler 850 an Griechenland zahlen muss, so daß Griechenland diese 850 an die französische Bank zahlen kann, damit so das Geld der französischen Sparer (Wert 600)  und ganz nebenbei eben auch das Eigenkapital der Bankaktionäre (Wert 400) „gerettet“ ist. Warum zahlt nicht der französische Staat an die französischen Sparer 400, (die restlichen 200 für die Sparer kann die Bank aus ihrer Immobilie und dem Gold selber stemmen) und fertig. So sind die Spareinlagen gerettet und die Bankaktionäre bekommen das, was jeder Unternehmer eines Pleiteunternehmens bekommt: nichts nämlich. Etwas verkürzt kann man sagen: Die deutschen Rettungsmilliarden retten das Eigenkapital französischer Bankaktionäre. Warum diskutieren wir nicht darüber, dass der deutsche Staat deutsche Spareinlagen sichert („400“); der französische Staat die Einlagen der Franzosen und daß die Eigentümer insolventer Banken komplett leer ausgehen? Ist das keine Alternative? Und ebenso wie die „Rettung“ der Spareinlagen sind Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehres unter den Banken nötig. Aber zu all dem müssen nicht Staaten gerettet werden.

„Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ heißt die von unserer Politik alternativlos betriebene Perversion der Marktwirtschaft. Die Bankaktionäre können  risikolos jahrelang herumzocken und sich eine goldene Nase verdienen (= „Gewinne privatisieren“) und dann die Verluste  dem Steuerzahler vor die Füße kippen (= “Verluste sozialisieren“). Nur wenn wir dieses perverse Modell beenden, werden sie lernen, daß Investition Risiko bedeutet und Risiko sich in Haftung niederschlägt.

Aber das ist natürlich nicht alles. Es muß mehr passieren, damit die Schuldenstaaten wieder wettbewerbsfähig werden und das können sie entweder durch Austreten aus dem Euro und Einführung ihrer eigenen Währung, die dann stark abwertet oder aber die starken Euro-Länder treten aus dem Euro aus und schaffen den Henkel´schen Nord-Euro. Das Ergebnis wäre das gleiche: Der „Rest-Euro“ würde abwerten.

Und was passiert beim x-ten Krisengipfel am Wochenende des 9. und 10.Dezember 2011?