Der Schweizer Abschied vom Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro ist faktisch der Ausstieg der Schweiz aus dem Euro. Der SchwExit zeigt, welche schlimmen Folgen die Unterdrückung eines ehrlichen Wechselkurses hat.
Denn der echte Wechselkurs bricht sich irgendwann schockartig Bahn. Gustav Horn, der unverbesserliche Direktor des linken Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), diagnostiziert “verheerende Wirkungen auf die Exportchancen der Schweizer Wirtschaft”. Berechtigt zieht er auch die Parallele zu einem Austritt Deutschlands aus dem Euro-Raum. Wie die Schweiz ist Deutschland ein Hartwährungsland. Daher sind ebenso wie für die Schweiz die Zinsen für Deutschland im Euro-Raum zu niedrig. Das gleiche gilt für den Außenwert des Euro. Unsere Exportindustrie freut sich darüber, jedenfalls bis sich auch hier wieder ehrliche Wechselkurse abbilden. Wie beim SchwExit würde bei einem Austritt Deutschlands dessen eigene Währung gegenüber Drittwährungen stärker und für den Export schlagartig zur Belastung. Bis hierher reicht die Einigkeit. Ab hier beginnt der Dissens.
Es überrascht, dass der Gewerkschaftsökonom Horn seine Sicht auf die Unternehmensverbände fokussiert und hofft, dass diese nun noch mehr für den Euro eintreten. Traditionell haben die Gewerkschaften es nicht als ihre Aufgabe gesehen, das Wohlergehen der Unternehmen zu verteidigen. Selbst der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag Schick sorgt sich um die Industrie. Was also stimmt an diesem Bild nicht?
Freilich ist richtig, dass eine Aufwertung höhere Hürden für die Exportindustrie bedeutet. Auf der anderen Seite lässt diese enge Fokussierung auf den Export die Auswirkungen auf den Import außer Acht: Dieser wird deutlich günstiger. Günstigere Einfuhrpreise reduzieren den Margendruck für die Industrie – und Deutschland ist in besonderem Maße abhängig von im Ausland gefertigten Vorprodukten. Vor allem aber – und das ist die Überraschung – ignorieren links und grün die Folgen für Konsumenten, die ihnen doch sonst so sehr am Herzen liegen. Die meisten Konsumprodukte werden nämlich nicht in Deutschland hergestellt, sondern aus Nicht-Euro-Ländern importiert. Das trifft vor allem auf Technik und Kleidung aus Fernost und Übersee zu, aber auch auf Weizen, Kakao, Kaffee und Öl.
Die deutsche und von links wie grün mit Dauerlamento belegte Konsumschwäche ist eine entscheidende Konsequenz des Euro selbst: Die Schwäche der Weichwährungsländer im Euro färbt auf Deutschland ab und erleichtert dessen Export (von dem insbesondere die betreffende Industrie profitiert), erschwert aber gleichzeitig den Import (was tendenziell den Verbraucher trifft). Und damit wird klar: Der Zusammenschluss von Hart- und Weichwährungsländern durch den Euro führt zu einem Misch-Wechselkurs, der in Deutschland eine Umverteilung vom Konsumenten zur Industrie bedeutet.
Auch die Schweiz war bis zum SchwExit Quasi-Mitglied im Euro und die Stärke des Schweizer Franken floss in den Mischkurs des Euro ein. Es ist daher kein Wunder, dass die Aktien der Schweizer Exportunternehmen große Verluste an der Börse verzeichnen mussten und die Tourismusbranche leidet. Denn nun werden sie nicht mehr länger durch die Interventionen der Schweizer Nationalbank (SNB) künstlich subventioniert. Das Streichen von Subventionen führt stets zunächst zu verschlechterten Gewinnaussichten. Wie teuer diese Subventionierung von Spezialinteressen durch einen verbilligten Franken war, zeigt sich an den Bilanzverlusten der Schweizer Nationalbank. Diese hat immer mehr Franken gedruckt, um das in die Schweiz hereinströmende Kapital aufkaufen zu können. Am Ende hat die SNB Anlagen in Fremdwährung im Wert von rund 500 Milliarden Schweizer Franken auf der Aktivseite verbucht. Nach der Aufwertung sind diese fremden Währungen in Franken gerechnet weniger wert als zuvor. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die SNB rund 100 Milliarden Franken zu Lasten der Schweizer abschreiben muss.
Weitere Kosten kommen dazu: Ein täglich neu zu bestimmender, freier Wechselkurs der Schweiz wie vor der verhängnisvollen Mindestkursfestsetzung hätte den Schweizer Unternehmen Gelegenheit gegeben, sich kontinuierlich an die Herausforderungen eines stärker werdenden Frankens anzupassen und schrittweise – auch durch Absicherungsgeschäfte – damit fertig zu werden. Die Mindestkursfestsetzung hat die Schweizer Exporteure jedoch in den falschen Glauben gesetzt, solche Anpassungen seien nicht nötig. Anstatt auf die Innovations- und Schaffenskraft der Unternehmer zu vertrauen, hat die SNB die Regeln des Marktes gebeugt. Aber das funktioniert eben nur vorübergehend. Augenwischerei allenthalben. Am Ende konnte die SNB damit nicht erfolgreich sein. Das ökonomische Gesetz hat sich gegen das geldpolitische Machtstreben der Zentralbank durchgesetzt. Das wird es immer.
EuGH und EZB haben die SNB nun in die Zange genommen. Der Generalanwalt des EuGH hat der EZB soeben eine Carte blanche zur Geldmengenausweitung erteil. Der Präsident der EZB Mario Draghi wird diese Carte blanche vermutlich schon an diesem Donnerstag ziehen. Die SNB hatte keine andere Option als das vollständige Scheitern ihrer Bemühungen der Wechselkurskontrolle einzugestehen, um eine Inflationierung des Franken zu verhindern.
Unter dem Strich bleibt: Von einer verfehlten Geldpolitik ist der Abschied weder auf Raten noch durch einen “managed free float” möglich. Das würde Spekulanten geradezu einladen, die danach lechzen, die neuen Grenzen für geldpolitische Interventionen auszutesten. Notenbanken sind nicht allmächtig. Erst recht nicht, wenn sie wie die SNB am Boden liegen. Diese schmerzhafte Erfahrung wird früher oder später auch die EZB machen. Das Schweizer Beispiel ist daher keine Warnung für Euro-Realisten wie die Alternative für Deutschland. Vielmehr sollten all jene gewarnt sein, die an die Allmacht der Geldpolitik glauben und aneinander ketten wollen, was nicht zusammen gehört.