Der sogenannte Fiskalpakt soll uns angeblich davor bewahren, immer weiter alle Schulden der gesamten Euro-Zone zu bezahlen, weil eben diese Eurozone mit eben diesem Fiskalpakt ja so wahnsinnig stark zum Sparen gebracht wird. Wer das auch nur im Ansatz für möglich hält, der hat von diesem Pakt nicht eine einzige Zeile gelesen.
Schon im Maastricht-Vertrag war eine Regelung enthalten: 60 %/ BIP Gesamtverschuldungsobergrenze und 3%-Neuverschuldungsobergrenze. Der Fiskalpakt braucht zur Fixierung dieser Ziele 18 kleinbedruckte Seiten Papier, um alle Ausnahmen, Einschränkungen, Abweichungen, Verwässerungen, Verschleierungen und leere Worthülsen unterzubringen.
Die Abgeordneten verweisen nun auf diesen Pakt. Sie meinen, dem dauerhaften und der Höhe nach unbeschränkten ESM-Rettungsschirm zustimmen zu können, weil ja der Fiskalpakt die Staatsschuldenkrise löst. Also müssen wir uns den jetzt ansehen. Ich mache es kurz und ich hänge ihn am Ende dieses Beitrages im Original an.
Artikel 10 regelt (!); daß die Vertragsparteien „den Anforderungen der Verträge … entsprechend“ „bereit sind“ „von der … Zusammenarbeit verstärkt Gebrauch zu machen“.
Die Vertragsparteien regeln, daß sie bereit sind, zusammenzuarbeiten. Das klingt natürlich vollkommen idiotisch, ist aber vielleicht doch sinnvoll. Man kann schon Zweifel daran haben, daß z.B. die Griechen immer zusammenarbeiten wollen. Und die Franzosen wollen vermutlich nach der Präsidentschaftswahl am 6. Mai auch nicht mehr. Also regelt man das klugerweise vertraglich.
Artikel 3 regelt
a) daß die „Vertragsparteien die Vorschrift anwenden“ (verpflichtend?); daß der nationale Haushalt „ausgeglichen ist oder einen Überschuß aufweist“ und
b) daß ein Haushalt als ausgeglichen gilt, wenn er ein „jährliches strukturelles“ Defizit von 0,5 % des BIP hat und daß
c) davon immer abgewichen werden darf, wenn „außergewöhnliche Umstände“ eintreten. Und was das genau ist, definiert Artikel 3 in Absatz 3 b): „Außergewöhnliche Umstände sind ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der betreffenden Vertragspartei entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat, oder ein schwerer Konjunkturabschwung …“.
In so einem krassen Ausnahmefall darf ein Staat auch mehr Schulden machen als die 0,5 % (und dann greift der ESM: Deutschland zahlt das Defizit). Befinden wir uns nicht gerade in einer ganz und gar außergewöhnlichen Krisenzeit, auf die nur die bösen, bösen Märkte Einfluß haben und auf die also die Staaten als Vertragsparteien keine Kontrolle ausüben können? An den Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen und dem schon eingetretenen Konjunkturabschwung bestehen wohl auch keine Zweifel. Also? Die 0,5-%-Grenze ist nicht das Papier wert, auf dem sie steht.
Zusätzlich: Bei der Berechnung des 0,5-%-Defizites werden einmalige oder befristete Maßnahmen nicht mitgerechnet. Auf Deutsch: Wenn Griechenland eine auf 2 Jahre befristete Fördermaßnahme zur Unterstützung arbeitslos gewordener Beamter beschließt und deswegen das Defizitziel von 0,5 % reißt, dann ist das o.k., denn diese Maßnahme ist ja befristet. Kann mich mal einer kneifen?!!!
Da niemals objektiv messbar ist, wann denn nun ein Staat gegen den Fiskalpakt verstößt und zu viele Schulden macht, muß das der EU-Rat feststellen. Und sollte der tatsächlich einmal einen Verstoß konstatieren, dann greift Artikel 4: Die Schulden müssen abgebaut werden – spätestens in den nächsten 20 Jahren! Und solange (s.o.) greift der ESM: Deutschland zahlt.
Die Ungeheuerlichkeiten gehen weiter. Die Europäische Kommission und der EU-Rat sind zuständig für das Feststellen einer Krise, die Festlegung der Mittel dagegen, die Überwachung aller Maßnahmen usw. Alles ist auslegbar, alles steht im Ermessen, nichts ist zwingend, nichts ist nicht-verhandelbar abschließend geregelt. Und die Rechte der Parlamente? Wo bleiben die? Die sind geregelt in (leicht eingedeutscht):
Artikel 13: „Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente bestimmen gemeinsam über die Organisation und Förderung einer Konferenz von Vertretern der zuständigen Ausschüsse der Parlamente, um die Haushaltspolitik und andere vom Fiskalpakt erfasste Angelegenheiten zu diskutieren.“ Ich deutsche noch etwas mehr ein: Die nationalen Parlamente dürfen eine Konferenz organisieren (und fördern!?) und auf der Konferenz dürfen sie auch diskutieren. Nichts entscheiden, aber immerhin mal darüber reden. Die Frage, ob bei dieser „Diskussion“ auch Abweicher, die nicht die Fraktionsmeinung wiedergeben, mitdiskutieren dürfen, ist nicht geregelt. Ich tendiere aber eher zu Nein. Sonst gerät die Diskussion noch völlig außer Kontrolle.
Wenn ein Hund an einen Baum pinkelt, dann trägt das eher zur Lösung der Staatsschuldenkrise bei, als dieser Fiskalpakt. Pardon.